Gesetzliche Grundlagen für die Verschreibung von Medikamenten und Maßnahmen gegen eine Ablehnung
Die Erforschung von Krankheiten und die darauf basierende Entwicklung von Arzneimitteln (Medikamenten) erfährt exponentielle Erfolge. Dieser erfreuliche Umstand gelangt dann an seine Grenzen, wenn es um die Frage geht, wie das alles bezahlt werden soll.
Jedenfalls hat jede Krankenversicherte einen Rechtsanspruch auf eine Krankenbehandlung, die ausreichend und zweckmäßig sein muss. Das Maß des Notwendigen darf dabei aber nicht überschritten werden. Zur Krankenbehandlung zählt auch die Verschreibung von Arzneimitteln auf Rechnung der gesetzlichen Krankenkassen („Erstattung“), d.h. die Patientin/der Patient hat bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln – mit Ausnahme der Rezeptgebühr – keine Kosten für das Arzneimittel selbst zu tragen.
Die drei Kategorien des Erstattungskodexes
Zur Sicherstellung der Finanzierbarkeit der Arzneimittelversorgung hat der österreichische Gesetzgeber den Erstattungskodex1 entwickelt: Es handelt sich dabei um eine Liste jener Arzneimittel, die auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen verschrieben werden können. Der Erstattungskodex unterteilt die rezeptpflichtigen Medikamente aus ökonomischer Sicht in drei Gruppen:
- Grüner Bereich: Arzneimittel, die grundsätzlich frei verschreibbar sind. Bestimmte Beschränkungen für die Verwendung können vorgesehen werden.
- Gelber Bereich: Diese Arzneimittel können nur nach chef- und kontrollärztlicher Bewilligung der gesetzlichen Krankenkassen verschrieben werden.
- Roter Bereich: Auch diese Arzneimittel können nur nach chef- und kontrollärztlicher Bewilligung der gesetzlichen Krankenkassen verschrieben werden. (Es handelt sich dabei um Arzneimittel, für welche ein Antrag auf Aufnahme in den Erstattungskodex gestellt wurde, und dieser Antrag fortwährend evaluiert wird.)
- „No Box“: Diese Arzneimittel können nur im Einzelfall nach chef- und kontrollärztlicher Bewilligung verschrieben werden. (Es handelt sich um Arzneimittel, die grundsätzlich erstattungsfähig sind, aber für die kein Antrag auf Aufnahme in den Erstattungskodex gestellt wurde, oder der Antrag auf Aufnahme nach Evaluierung abgelehnt wurde.)
Die Bestimmungen des Erstattungskodex sollen verschreibende ÄrztInnen unterstützen, jenes Heilmittel zu wählen, welches sowohl aus therapeutischer als auch ökonomischer Sicht optimal ist. Dabei gilt das Ampelprinzip: „Grün vor Gelb vor Rot“: Die behandelnden ÄrztInnen und Ärzte haben vor der Verordnung eines Arzneimittels aus dem Gelben Bereich zu prüfen, ob nicht die Verordnung eines Arzneimittels aus dem Grünen Bereich zweckmäßiger und wirtschaftlicher wäre; vor der Verordnung eines Arzneimittels aus dem Roten Bereich hat die Ärztin/der Arzt zu prüfen, ob nicht eine Verordnung aus dem Grünen oder Gelben Bereich zweckmäßiger oder günstiger wäre.2
Keine Erstattung – was nun?
Schon oben wurde erwähnt: Jede Patientin/jeder Patient in der gesetzlichen Krankenversicherung hat das Recht auf eine Krankenbehandlung, die ausreichend und zweckmäßig sein muss, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf.3 So weit so gut, nun stellt sich allerdings die Frage, wie man als Patient/Patientin damit umgehen soll, wenn in einem konkreten Fall die Bezahlung eines Medikaments durch den Versicherungsträger verweigert wird, man aber – insbesondere aufgrund der Einschätzung der/s behandelnden Ärztin/Arztes - der Meinung ist, dass eine anderweitige Behandlung nicht ausreicht. Die gute Nachricht ist, dass man das nicht einfach so hinnehmen muss und dass es für diesen Fall ein Rechtsmittel gibt. Und das geht so:
Zunächst benötigt man von der Versicherung ein schriftliches Dokument/Nachweis, dazu ist es notwendig sich beim Versicherungsträger einen Bescheid über die Ablehnung der Leistung ausstellen zu lassen.4
Auf der Webseite der österreichischen Gesundheitskasse stehen Vorlagen für Bescheidanträge zum Downloaden bereit.5
Darüber hinaus ist es empfehlenswert, sich auch von einer gesetzlichen oder freiwilligen Interessensvertretung (z.B. der Arbeiterkammer, dem Gewerkschaftsbund, der Landwirtschaftskammer oder der Wirtschaftskammer) beraten zu lassen, um mit deren Unterstützung einen Antrag auf Bescheidausfertigung zu stellen. Der Antrag auf Bescheidausfertigung muss anschließend dem jeweiligen Krankenversicherungsträger zugesendet werden.
Der Krankenversicherungsträger ist dann verpflichtet, binnen zweier Wochen einen Bescheid über die Anerkennung oder einer Ablehnung einer Leistung auszustellen.6 Sofern der ablehnende Bescheid zugestellt wurde, hat man vier Wochen Zeit, Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht ein zubringen. Über die Verfahrenskosten in erster Instanz braucht man sich keine Gedanken zu machen, die übernimmt in jedem Fall die Republik Österreich (also auch wenn man das Verfahren verliert).
In diesem erstinstanzlichen Verfahren kann man sich selbst vertreten. Zu empfehlen wäre aber die Hilfe von gesetzlichen oder freiwilligen Interessenvertretungen. Selbstverständlich kann man sich auch durch eine Rechtsanwältin / einen Rechtsanwalt vertreten lassen, allerdings ist das mit Kosten verbunden. Daher ist es zuvor notwendig abzuklären, ob eine Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung besteht und falls nicht, ob der finanzielle Aufwand für die anwaltliche Vertretung verhältnismäßig ist.
In der zweiten Instanz (Oberlandesgericht) muss eine Vertretung durch eine Rechtsanwältin /einen Rechtsanwalt oder durch eine der zuvor genannten Interessenvertretungen vorhanden sein. Beim obersten Gerichtshof – also der dritten Instanz – kann eine Vertretung nur durch eine RechtsanwältIn erfolgen.
Wägen Sie daher sorgfältig ab, ob die Verfahrens- und Anwaltskosten im Verhältnis zu den, von der Versicherung abgelehnten Arzneimittelkosten, stehen und diese rechtfertigen!
Checklist:
- Meine behandelnde Ärztin/mein behandelnder Arzt hält die Verschreibung eines Arzneimittels für erforderlich und zweckmäßig.
- Der chef- und kontrollärztliche Dienst des zuständigen gesetzlichen Krankenversicherungsträgers hat jedoch die Bewilligung zur Verschreibung nicht erteilt (=Ablehnung)
- Ausstellung eines Bescheids bei der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse beantragen (am besten schriftlich, bei der Krankenkasse vor Ort gegen Bestätigung des Empfangs oder eingeschrieben mit Rückschein)
- Ein ablehnender Bescheid wird binnen zweier Wochen zugestellt.
- Binnen vier Wochen nach Zustellung Klage gegen den ablehnenden Bescheid beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht einbringen.
Referenzen
- § 31 Abs 3 Z 12 ASVG
- Erstattungskodex – EKO 1/2020, S. 13.
- § 133 Abs 2 ASVG
- § 367 Abs 1 Z 2 ASVG
- https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.837471&portal=oegkwportal
- § 368 Abs 1 ASVG

Disclaimer:
Für den Inhalt verantwortlich: Mag. Rolf Reiterer
Der Inhalt wurde vom Autor mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. (Datum der Erstellung: 08/2019)
Mag. Rolf Reiterer ist als unabhängiger Jurist für Patient.Partner tätig und unter der Infoline 0800/203909 von Mo-Do 9-16 Uhr und Fr 9-13 Uhr erreichbar.